Wydanie/Ausgabe 131/04.04.2024

Bevor Schlesien 1945 von Deutschland getrennt wurde, durchlief es eine lange, ereignisreiche und manchmal auch turbulente Entwicklungsgeschichte, die vor ca. 2.000 Jahren begann. In diesem Zeitraum wechseln mehrmals die Machthaber:

[in Klammern: die Verweilzeiten Schlesiens in den jeweiligen Ländern]

  1. Germanen/Vandalen (1. Jh. v.u.Z. bis 5. Jh. u.Z.)
  2. Slawen

2a. Großmährisches Reich (800 – 906)
2b. Böhmen (929 ­– 990)
2c. Polen (990 – 1163/1335 de jure)
2d. Böhmen – Römisches Reich Deutscher Nation (1163 – 1526)

  1. Österreich/Habsburger (1526 – 1742)
  2. Preußen (1742 – 1945)

1. Vandalen (1. Jh. v.u.Z. bis 5. Jh. u.Z.)

Kurz vor der Zeitwende waren die Vandalen Herrscher in Mittelschlesien, wo sich zuvor ein keltisches Oppidum am Zobten befand, während sich in Südschlesien noch ein Keltengau hielt.

Von dem vandalischen Teilstamm der Silingen bekam der mittelschlesische „pagus Silensis“ (Gau) und später das ganze Land Schlesien seinen Namen.

In der Völkerwanderungszeit zog ein großer Teil der Vandalen 406 unter ihrem Führer Gunderich nach Gallien ab.

Im Jahr 429 erreichen sie Nordafrika (Carthago), plünderten 455 Rom und werden 533 vom oströmischen Feldherren Belizar geschlagen. ­Ihr Aufenthalt in Nordafrika dauert also ca. 100 Jahre.

2a. Das Großmährische Reich (800 – 906, von Mojmir bis Swatopluk)

Hier ist deutlich zu erkennen, dass Schlesien die Nordost-Flanke des Reiches bildet. Im Gegensatz dazu behaupten die Polen, dass dieses Gebiet bereits damals polnisch war.

Die Siege Karl des Großen über die Awaren (Hunnenvolk) 791 bis 796 befreien die Slawenstämme und schaffen die Voraussetzung für deren Einführung in das christliche Europa.

Der mährische Fürst Mojmir I. gründete den ersten westslawischen Staat  im 9. Jh., (800 ), den der byzantinische Kaiser Konstantin VIII. als das „Große Mähren“ bezeichnete. Durch gute Kontakte zum byzantinischen Kaiser Michael III. holt er 864 die Slawenapostel Kirillos und Methodios aus Thessaloniki und lässt sein Land christianisieren. Schlesien wird somit christlich.

Zum Vergleich: Polen wird erst 966 christlich. Die Polen behaupten jedoch, dass sie das Christentum nach Schlesien gebracht hätten.

Mehrere Angriffe der Magyaren (Ungarn) führen 906 letztlich zum Ende des Reichs.

2b. Böhmen (921 – 990)

Nach dem Niedergang des Großmährischen Reichs gewinnt der aus Prag ausgehende Stamm der Tschechen immer mehr an Bedeutung (9. – 10. Jh.). Schließlich erweitert er seinen Einfluss auf Mähren, wodurch Schlesien zu Böhmen kommt, das bereits damals vom Römischen Reich stark abhängig ist.

Der erste Herrscher Wenzel (921 – 929) stirbt als Märtyrer bei Auseinandersetzungen mit heimischen Kräften. Dieser Name gilt noch heute in Tschechien als heilig.

Dubrawka – die Tochter seines Nachfolgers Boleslaw I. – vermählt sich mit dem polnischen Fürsten Mieszko [Mjeschko], der dadurch das Christentum annimmt.

2c. Polen (990 – 1163/1335)

Im Jahr 990 überfällt der polnische Fürst Mieszko I. – aus dem Hause der Piasten – Böhmen, das inzwischen vom Sohn seines Schwiegervaters     Boleslaw II. regiert wird. Er reißt Schlesien an sich, wodurch es dann polnisch wird.

Böhmen hat mehrfach versucht, Schlesien zurückzuerobern, ist damit jedoch gescheitert. In diesem Kontext sei erwähnt, dass der Papst im Römischen Reich Deutscher Nation eine sehr starke Position einnimmt. Solange die Streitparteien den christlichen Glauben nicht gefährden, lässt er im Grenzkonflikt in der Regel nicht eingreifen. Dies kommt uns auch heute noch irgendwie bekannt vor.

Erst in 5. Generation der polnischen Piastenherrschaft hat Fürst Boleslaw der Schiefmündige (1085 – 1138) ungewollter Weise die Grundlagen für die Abtrennung Schlesiens von Polen selbst geschaffen.

Er führt beispielsweise ein neues Erbrecht ein, das sogenannte Seniorat, nach dem der älteste Sohn sein Nachfolger fürs ganze Land wird, aber zusätzlich noch eine eigene Erbprovinz ausschließlich zu seiner Verfügung bekommt, in diesem Fall – Schlesien.       

Sein rechtmäßiger Nachfolger Wladyslaw II. (1105 – 1159) wird jedoch von seinen Stiefbrüdern 1146 vertrieben. Bis zu seinem Tod lebt er in Altenburg (Thüringen) in der Residenz seines Schwagers – des römischen Königs Konrad  III. Zugleich war seine deutsche Frau Agnes Enkelin des römischen Kaisers Heinrich IV. (auch durch den Bußgang nach Canossa bekannt).

Während Wladyslaws Aufenthalt in Altenburg hat seine deutsche Stiefmutter (Salome v. Berg) seine Erbschaft Schlesien verwaltet.

1159 stirbt Wladyslaw II. (von nun an auch „der Vertriebene“ genannt) in Altenburg. Nach einer friedlichen Intervention des Kaisers Friedrich I. Barbarossa bekommen die beiden Söhne Wladyslaws, Boleslaw und Mieszko, Schlesien rechtmäßig zurück.

Dies geschieht 1163 – ein Eckpfeilerdatum in der deutschen Geschichte Schlesiens. Ab diesem Jahr ist Schlesien deutsch.

Die beiden Söhne Wladyslaws, Boleslaw der Lange (1129 – 1201) und Mieszko I. (1138 – 1211) verbringen 17 Jahre in Deutschland in der königlichen Residentz des Unkels in Altenburg. In dieser Zeit werden sie deutsch erzogen und lernen dabei deutsche Sitten und Kultur kennen. Nach ihrer Rückkehr in ihre Erbschaft Schlesien stellen sie sehr schnell fest, wie rückständig ihr Schlesien im Vergleich zu anderen deutschen Gebieten ist. Daher versuchen sie unverzüglich ihre zurückerworbene Heimat zu modernisieren.

Als erstes holen sie die Zisterzienser 1175 ins Land, die damals schon auf dem Gebiet der Landkultivierung sowie Vieh- und Fischzucht führend in Europa sind. In Leubus an der Oder bei Breslau gründen sie die größte Zisterzienser-Abtei Europas, von wo aus sie sich in ganz Schlesien verteilen.

Da das Land dünn besiedelt ist, werden Siedler-Trecks aus verschiedenen deutschen Ländern organisiert. Zudem werden zahlreiche deutsche Städte nach deutschem Recht gegründet.

Die Einführung des metallenen Pflugscharens ist eine Revolution für die schlesische Landwirtschaft (damals noch nicht in slawischen Ländern bekannt). Obwohl Schlesien noch bis 1335 politisch zu Polen gehört, entwickelt es sich schließlich ab 1163 deutsch.

Die schlesischen Piasten teilen sich zunächst in zwei Linien:

-      Breslauer (Niederschlesische) Linie (mit Boleslaw dem Langen)

-      Oppelner (Oberschlesische) Linie (unter Mieszko I.)

Durch weitere Teilungen nach dem Mongoleneinfall 1241 (Liegnitz) entstehen bis zu 17 Teilherzogtümer. Die Herzöge sind in jeder Generation mit binnendeutschen Fürstentümern versippt und fördern fortwährend die deutsche Zuwanderung.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die schlesischen Fürsten 1327 um eine Aufnahme von Böhmen unter dem König Johann des Blinden (Haus Luxemburg) bemühen (Lehnsbindung). Diese Bemühungen werden schließlich 1335 mit dem Trentschiner Vertrag erfolgreich abgeschlossen, indem der polnische König Kazimir der Große folgende Aussage macht:

„Ich verzichte auf Schlesien für alle Zeiten.“

Somit ist es unverständlich, dass Polen bis heute irgendwelche historische Ansprüche auf Schlesien erhebt. Denn: „pacta sunt servanda“ (Verträge müssen eingehalten werden).

2d. Böhmen – Römisches Reich Deutscher Nation (1163 – 1526)

Politisch bedeuten die Lehnsbindung an Böhmen 1327 sowie der Trentschiner Vertrag 1335 einen faktischen Eingang Schlesiens in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.

Untermauert wird dies noch durch die Einverbindungsurkunde des späteren Kaisers Karl IV. (Kaiser von 1347 – 1378, Luxemburger und Sohn von König Johann v. Böhmen). Er fasst Böhmen, Mähren und Schlesien als Länder der böhmischen Krone zusammen. Darüber hinaus verlegt er die Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation von Aachen nach Prag.

Somit wird Böhmen zum Kernland des Reichs. Für Schlesien bedeutet dies einen beachtlichen politischen Aufstieg in Europa.

3. Österreich/Habsburger (1526 – 1742)

Nach der Schlacht bei Mohacs [Mohatsch] 1526 fällt Böhmen und damit auch Schlesien unter die Herrschaft der Habsburger.

Für die Weiterentwicklung Schlesiens ist dies kein glücklicher Fall, denn Schlesien spielt für Österreich keine große Rolle.

5. Preußen (1742 – 1945)

Infolge der drei Schlesischen Kriege (1740 – 1763) wird Schlesien 1742 preußisch.

Es folgt ein beachtenswerter industrieller sowie kultureller Entwicklungsschub. In Oberschlesien entsteht eines der größten und modernsten Industriegebiete Europas.

Eine Randbemerkung hierzu:

Das schlesische Gebiet hat insgesamt 13 Nobelpreisträger hervorgebracht, was bis heute keinem andern deutschen Land gelungen ist. Bis auf einen (Gerhart Hauptmann) sind es ausschließlich Mediziner und Naturwissenschaftler.

Schlussbemerkung:

Die Trennung Schlesiens von Polen wurde einzig und allein durch bestimmte Verhaltensweisen polnischer Fürsten hervorgerufen.

Von Mieszko I. bis Boleslaw den Schiefmündigen hatten alle polnischen Fürsten zumindest eine Frau, die aus deutschem Hause stammte.

Einerseits lag es im Interesse des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, das erst spät christlich gewordene Polen an sich stark zu binden, andererseits bemühten sich die polnischen Fürsten mit deutschen Adligen zu vermählen zur Festigung der Bündnisse mit der christlichen Welt West Europas.

Das löste in Polen sehr früh eine, nolens volens, pro – deutsche Orientierung aus.

Als dann Wladyslaw II., von seinen Stiefbrüdern verfolgt, die Flucht ergreifen musste, fand er Schutz beim Halbbruder seiner deutschen Frau Agnes (Enkelin des römischen Kaisers Heinrich IV.) in Altenburg.

Mit der Rückkehr seiner Söhne nach Schlesien (infolge siebzehnjähriger Verbannung in Thüringen) wurde Schlesien schließlich deutsch!